Cruiser Magazin, Oktober 2024
Foto: Sebastian Koberstein
Westfalenblatt vom 21.09.2024
Foto: Sebastian Koberstein
Neue Westfälische vom 17.10.2024
Foto: Sebastian Koberstein
Text: Veit Georg Schmidt I Foto: Buchhandlung Löwenherz
Ein außergewöhnlicher Urlaubsroman: Umberto kehrt ausgerechnet an den Strand zurück, an dem er so gern mit der Liebe seines Lebens Sascha war. Sascha ist zwei Jahre zuvor tödlich verunglückt - und Umberto ist bereit, vollkommen in Selbstmitleid am Badestrand zu zerfließen. Doch es kommt anders. Zunächst ist Umberto von einer alten Dame in seinem Hotel fasziniert, die ihm mit scharfer Zunge ebenso unerwartete wie unangenehme Fragen stellt. Am Strand nervt ihn eine alleinerziehende Mutter, vor der er keine Ruhe findet. Und dann wird er vom bildhübschen Daniele angeflirtet - aber Umberto kann sich nicht auf den deutlich jüngeren Mann einlassen. Vordergründig entspinnt sich eine sehr italienisch anmutende Komödie, in der man vor allem dem Moment entgegenfiebert, wann die zwei Männer endlich zueinander finden. Zugleich erzählt Marcello Liscia, wie ein zurechtgelegtes Leben gleich zweimal zerfällt: Zunächst in Rückblenden Umbertos glückliches Leben an der Seite Saschas, brav, gut situiert, familiär eingebunden, mit Hund. Aber auch das Unglück hat keinen Bestand, denn Umberto erfährt, dass sein ewiger Sascha ihn eigentlich verlassen wollte; nichts scheint mehr an seinem Leben zu stimmen, auch in der Trauer findet er keinen Halt mehr. Eine ebenso kluge wie packend-vereinnahmende Geschichte über schwules Lebensglück. Stilistisch ist der Roman dazu sehr fein erzählt, immer wieder kontrastieren auktorial erzählte Passagen den Hauptstrang von Umbertos Ich-Perspektive. Eine fesselnde Lektüre und eine starke Lektion darüber, auf was im Leben Verlass ist.
Veit Georg Schmidt,
Inhaber der Buchhandlung Löwenherz, Wien
Text: Veit Georg Schmidt I Foto: Buchhandlung Löwenherz
Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist eine der berührendsten Geschichten eines jungen schwulen Mannes, der zu sich selbst findet, die je erzählt worden ist. Der Roman hat die Wucht einer Urerzählung, in der alles zusammengefasst wird, was es ausmacht, wenn sich ein Jugendlicher darüber klar wird, schwul zu sein – und zugleich lebt er von einer sprachlichen Feinheit und erzählerischen Wärme, die die Handlung unmittelbar erlebbar macht, obgleich sie in einer fernen, uns schon einigermaßen fremden Zeit spielt. Es ist die Geschichte des 16jährigen Luca, der Ende der 50er Jahre aus Italien in die deutsche Provinz, nach Paderborn geschickt wird. Dort lernt er den gleichaltrigen Hans kennen, und allen Widrigkeiten zum Trotz verlieben sich die beiden, obwohl Luca nur Brocken Deutsch und Hans kein Italienisch versteht. Wohl noch nie wurde so elegant beschrieben, wie Liebe ihre eigene Sprache findet. Doch für Luca ist es mehr als die Erfahrung der ersten großen Liebe und erfüllendem Sex; eingeimpft war ihm, dass ein „frocio“, eine „Schwuchtel“ zu sein, das Schlimmste ist, was ein Junge sein kann – ohne dass er wirklich gewusst hätte, was das eigentlich genau sein soll. Und so, wie ihm mit Hans klar wird, dass er selbst schwul ist, versteht er, was ein „frocio“ ist, aus dem Schimpfwort wird Selbsterkenntnis. Dass es Marcello Liscia gelungen ist, Lucas Ringen um sein Schwulsein in einer romantischen Liebesgeschichte zu erzählen, die weder tragisch noch kitschig, sondern in einem Aufbruch endet, gibt dem Buch dann abschließend echte Klasse.
Veit Georg Schmidt,
Inhaber der Buchhandlung Löwenherz, Wien
Text: Luca Glenzer I Foto: queer.de, music4life / pixabay
In seinem Debütroman "Ein verregneter Sommer" zeichnet Marcello Liscia das Bild des aus Norditalien stammenden Teenagers Luca, der 1958 als Saisonkraft in einer westfälischen Eisdiele arbeitet.
Es ist Anfang März 1958: Der 16-jährige Luca wird in wenigen Tagen für sechs Monate ins ferne Deutschland fahren – jenes Land, das er bis dato "immer nur mit Krieg in Verbindung gebracht" hatte. Dort wird er als Saisonkraft in der vom Ehepaar Signora Colomba und Signor Colombo betriebenen Eisdiele "Gelateria Itailana" arbeiten. Sie stellt mit ihren kulinarischen Spezialitäten im noch jungen und alles andere als multikulturellen Nachkriegsdeutschland eine Art Parallelwelt da: Für die italienischen Gastarbeiter*innen bietet sich hier die Möglichkeit, durch einen Espresso oder Cappuccino ein Stück Vertrautheit inmitten einer fremden und nicht selten feindseligen Kultur wiederzuerlangen. Den einheimischen Deutschen wird hier wiederum die bisher ungeahnte Weite und Vielfältigkeit der Welt vor Augen geführt.
Dieses Jahr aber läuft es denkbar schlecht für die Gelateria Itailana. Ein verregneter Tag folgt dem nächsten, sodass Kund*innen und damit die benötigten Umsätze ausbleiben. Doch des einen Pech ist des anderen Glück, und so bieten sich für Luca als Angestellter aufgrund der ausbleibenden Arbeit plötzlich ungeahnte Freiräume.
Verständigung trotz Sprachbarrieren
Eines Nachmittags lernt er den gleichaltrigen Hans kennen, der von den italienischen Angestellten wahlweise "Anze" oder gleich "il bel biondo" – der schöne Blonde – genannt wird. Hans ist mit seiner forschen und unbekümmerten Art charakterlich das genaue Gegenstück zu Luca, der oft unsicher und schüchtern daherkommt. Damit hadert er sehr, ist ihm doch bewusst, wie wenig er damit dem Idealbild eines selbstbewussten und starken Mannes entspricht, dem hier in Deutschland ebenso gefrönt wird wie in der fernen italienischen Heimat.
Doch für Hans stellt Lucas Schüchternheit kein Problem dar, im Gegenteil: Sie scheint ihm sympathisch zu sein, ganz im Gegensatz etwa zum Machismo des Alphamannes Paolo, einem Kollegen Lucas, mit dem dieser sich ein Zimmer teilen muss. Auch wenn Luca und Hans sich aufgrund der Sprachbarrieren anfangs nur mit Händen, Füßen und ein paar Bruchstücken Latein verständigen können, scheint es eine Art nicht-sprachliche Verbindung zwischen ihnen zu geben. Nachdem sie sich über mehrere Wochen hinweg regelmäßig getroffen haben, kommt es schließlich zu ersten zaghaften Annäherungsversuchen zwischen den beiden Teenagern, die Luca zugleich genießt und verabscheut, hat er doch nicht zuletzt im Zuge seiner streng konservativ-katholischen Sozialisation gelernt, dass Zärtlichkeiten zwischen Männern zwangsläufig mit dem Fegefeuer gesühnt werden.
So versucht Luca – immer den internalisierten Blick des eigenen Vaters und des ihn seit der Kindheit begleitenden Priesters vor Augen – sich Hans zu entziehen. Doch dieser lässt nicht locker, sodass Luca letztlich keine Wahl bleibt, als sich mit seinen tiefsitzenden Ängsten auseinanderzusetzen.
Einfühlsames und plastisches Porträt
Mit "Ein verregneter Sommer" ist Marcello Liscia ein gut geschriebenes und über weite Strecken auch spannendes Buch gelungen. Das im Zentrum des Romans stehende Leben der italienischen Arbeitsmigrant*innen wird einfühlsam und zugleich plastisch beschrieben, ebenso wie der konflikthafte und langwierige Prozess von Lucas innerem und schließlich auch äußerem Coming-out.
An manchen Stellen des Buches verliert die Story jedoch etwas an Glaubwürdigkeit und Authentizität: Etwa, wenn Hans nach einem homophob motivierten, gewaltvollen Überfall und einem darauffolgenden mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt offenbar nichts von seiner Frohnatur und Willenskraft eingebüßt hat und auch weiterhin nicht davor zurückschreckt, Luca in der Öffentlichkeit seine Zuneigung zu zeigen. Hier erlag Liscia offenbar zu sehr der Versuchung, aller umschriebenen Widrigkeiten zum Trotz eine letztlich empowernde und ermutigende Geschichte zu erzählen.
Auch ist das Ende der Story arg kitschig geraten, was der Autor eigenen Aussagen gegenüber dem "Westfalen-Blatt" zufolge nicht zuletzt als gesellschaftspolitisches Statement und damit sozusagen als utopischen Gegenentwurf genau so haben wollte.
So ist "Ein verregneter Sommer" aller aufgezeigten Schwächen zum Trotz eine alles in allem schön zu lesende Coming-of-Age-Geschichte geworden, der insbesondere im Bereich der queeren Jugendliteratur eine Leseempfehlung ausgesprochen werden kann.
Text: Marion Neesen I Foto: Oliver Schwabe
Im Herbstprogramm des Querverlages wird ein Buch erscheinen, das aus der Feder eines Salzkotteners stammt. Marcello Liscia, bekannt als Unternehmensberater und Hobby-Imker, hat eine Geschichte über das Erwachsenwerden, über ein Coming Out, aber auch über das Leben der italienischen „Gastarbeiter“ in Paderborn Ende der 1950er-Jahre geschrieben.
„Ein verregneter Sommer“ heißt sein Debütroman. Dessen Titel scheint angesichts von Temperaturen um die 30 Grad zwar so gar nicht in die Zeit zu passen, dennoch nimmt sich der Autor eines scheinbar fortwährend aktuellen Themas an. Marcello Liscia (51) erzählt die fiktive Geschichte des 16-jährigen Norditalieners Luca, der als Saisonkraft nach Deutschland geschickt wird, wo er in einer Eisdiele arbeitet, um seine achtköpfige Familie zu unterstützen.
Denn Grundlage der Geschichte ist der Lebensweg seiner Mutter, die in den 50er-Jahren unter anderem im Paderborner Eissalon Favretti arbeitete. Aspekte seines eigenen Lebens transportiert Liscia über seinen Romanhelden, der sein „Anderssein“ als Homosexueller entdeckt, sich in den gleichaltrigen Hans verliebt und damit in einen inneren Konflikt gerät.
Paderborner Schauplätze
„Ich habe das Setting der Eisdiele als Rahmen für den Roman genutzt“, erzählt Marcello Liscia. Denn die Ereignisse unter den Mitarbeitern und deren Alltag kennt der 51-Jährige seit seiner Kindheit aus den Erzählungen seiner Mutter. Die Paderborner werden in dem Buch zudem weitere Schauplätze ihrer Stadt wiederfinden; sowohl der Dom als auch das Liborifest spielen eine Rolle, es gibt Spaziergänge im Paderquellgebiet und Besuche im Kaiser-Karls-Bad.
Der Roman beleuchtet außerdem das Leben der so genannten Gastarbeiter aus Italien, die sich in Eisdielen trafen, um ihre Muttersprache zu sprechen oder auch italienische Frauen kennenzulernen. „So hat es auch bei meinen Eltern gefunkt“, erzählt Marcello Liscia. Liscias Mutter pendelte neun Jahre zwischen Norditalien und Paderborn und lernte hier ihren ebenfalls aus Italien stammenden Mann kennen.
„Die Eisleute waren immer Norditaliener und hielten sich für etwas Besseres, während die Menschen aus Süditalien in der Industrie arbeiteten und als ärmliche Landbevölkerung galten“, weiß Liscia und greift auch diesen gesellschaftlichen Konflikt auf. Der Buchtitel spiegelt indes ein Stück des Alltags der Eisleute wider. Denn an Regentagen, wenn in den Eisdielen die Kundschaft ausblieb, hatten die Angestellten Freizeit; so konnten sich Luca und Hans an diesen Tagen treffen.
„Ein Teil meiner persönlichen Geschichte“
„Als Luca feststellt, dass er homosexuell ist, kann er das nicht akzeptieren. Hier fließt ein Teil meiner persönlichen Geschichte ein, in der ich sehr lange damit gehadert und noch acht Jahre länger gebraucht habe als Luca, um damit herauszukommen“, so Liscia.
Ein Coming-Of-Age-Roman, also eine Erfahrung des Erwachsenwerdens, müsse ja nichts mit einem Coming-Out zu tun haben, so Liscia. In diesem Fall sei der Roman aber beides. „Es passiert sehr viel mit und in Luca. Er kommt aus einem sehr katholischen Elternhaus, in dem sein Anderssein als falsch gewertet wird. Er passt nicht in das Muster von Mann und Frau. Und daher will er dieses Anderssein nicht“, so Liscia.
Der Salzkottener hatte bereits vor vier Jahren begonnen, den Roman zu schreiben. Allerdings ohne die Absicht, ihn zu veröffentlichen. Vorgenommen hatte er sich nur, ein Buch zu schreiben. Zwischendurch gab es frustrierende Phasen, oder solche, in denen keine Zeit für diese Nebenbeschäftigung blieb.
Einen Anschub habe er noch einmal vor dem Hintergrund der Ereignisse in Ungarn bekommen, wo 2021 ein Gesetz zur Beschränkung der Information über Homo- und Transsexualität in Kraft getreten ist. „Das ist ganz schrecklich für junge Menschen, die dort einen Spiegel vorgehalten bekommen, der sagt: Es ist nicht nur falsch, wie ihr seid, sondern ihr dürft auch nicht darüber sprechen“, erklärt Liscia.
„Vielleicht kitschig“
Liscias Debütroman hat ein Happy End. „Das mag vielleicht kitschig sein“, sagt der Autor, „im Kontext der unterschiedlichen sexuellen Orientierungen war es mir aber wichtig, jungen Menschen zu zeigen: Hey, daraus kann etwas Gutes werden, ihr könnt damit glücklich und zufrieden werden.“
Auch wenn der Querverlag für Literatur mit schwulen und lesbischen Themen stehe, wünscht sich Liscia, dass sein Roman nicht in dieser Nische verharrt, sondern alle möglichen Leser anspricht. „,Ein verregneter Sommer‘ spricht grundsätzlich davon, was einem beim Erwachsenwerden alles in die Quere kommen kann. Ich kann mir gut vorstellen, dass auch heterosexuelle Menschen Probleme mit sich und ihrer Umwelt haben können“, so Liscia.
Für Marcello Liscia wird es wohl nicht bei diesem einen Roman bleiben. Mit einem neuen hat er bereits begonnen. Es wird erneut um einen homosexuellen Protagonisten gehen, im Mittelpunkt wird aber das Thema Verlust eines geliebten Menschen durch den Tod stehen. „Mehr weiß ich selbst noch nicht. Ich bin nicht der Typ Autor, der einen fertigen Plan im Kopf hat“, lässt Liscia offen, „die Geschichte wird sich entwickeln.“ So wie das Leben eben.
Zur Person
Marcello Liscia wurde 1971 in Paderborn geboren. Er studierte englische und französische Sprach- und Literaturwissenschaften und ist seit mehr als 20 Jahren als Berater, Trainer und Coach für Führungskräfte in Europa tätig. Er lebt gemeinsam mit seinem Mann Jan in Salzkotten. „Ein verregneter Sommer“ ist sein erster Roman. Im Eigenverlag sind jedoch bereits Ratgeber für Führungskräfte erschienen. „Ein verregneter Sommer“ erscheint als Taschenbuch im Querverlag, hat etwa 300 Seiten und ist bereits vorbestellbar.
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